Redebeiträge am 11.05.2020

Theresa, Heilerziehungspflegerin

Ein herzliches Hallo an alle!

Ich möchte heute aus meiner Arbeit als Pflegefachkraft in stationären Einrichtungen berichten und davon, dass viele Covid-19-Maßnahmen der Politik die betroffenen Menschen nicht schützen, sondern sie gesundheitlich und zwar psychisch und physisch zusätzlich gefährden:

Die Maßnahmen, die zur Corona-Bekämpfung getroffen wurden, entmündigen alte, behinderte, kranke und hilfsbedürftige Menschen komplett und berauben sie der Würde ihres Lebens. Das Betretungsverbot ist wohl das verheerendste Übel, das die Herren und Damen Politiker den Betroffenen antun konnten. Für Monate wurde jeder Kontakt zu Angehörigen, zu den wichtigsten Menschen im Leben strikt untersagt und die angebliche Lockerung ist weder sicher noch langfristig durchdacht.

Diese Regelung klammert die seelischen Notwendigkeiten aus, die Menschen verlieren die Wärme der engsten Bezugspersonen und auch die Pflegekräfte müssen abwägen, ob sie die Regeln umgehen und die Betreuten tröstend in die Arme nehmen oder die Regeln konform und pflichtbewusst einhalten, denn „niemand möchte sich ausmalen durch das eigene Fehlverhalten Schuld an der Erkrankung oder gar dem Tod eines Betreuten zu sein“, wie es wortwörtlich von meiner Vorgesetzten formuliert wurde und ich denke, es ist leider kein Einzelfall.

Es geht hier nicht nur um eine liebevolle Umarmung, die durch die Maßnahmen verhindert wird, es geht vor allem auch darum, dass für demente und schwerstbehinderte Menschen Körperkontakt von größter Bedeutung und oftmals der einzige Weg ist, mit Mitmenschen zu kommunizieren, Kontakt aufzunehmen, Bedürfnisse zu äußern und den anderen Menschen zu verstehen und eine Welt, in der man sich zwar physisch befindet, aber im Inneren oft in dieser verloren und haltlos zu sein scheint, innerlich begreifen und erleben zu können. Auch das eigene Erleben, sich selbst zu erspüren, das Wahrnehmen der Umwelt beruht bei Dementen und Schwerstbehinderten häufig auf Berührungen verschiedenster Arten. Noch dazu sind Menschen, die nicht auf die herkömmliche, verbale Art kommunizieren auf die Mimik, den Gesichtsausdruck ihres Gegenübers angewiesen um gänzlich verstehen zu können. Dies wird durch die Atemmaske zu einer großen Barriere und auch die Schutzausrüstung vermittelt das Gefühl als hätte der Betreute die Pest und wahrscheinlich wird dadurch auch eine Art Pest durchlebt, aber eine seelische, emotionale. Um den seelischen Schaden pro-forma zu lindern, werden nun Skype und „Fensterbesuche“ zur Rettung auserkoren. Dass dies aber wahrlich keine zufriedenstellende, wirkliche Lösung ist, ist wohl jedem von uns bewusst sonst würden wir nicht hier stehen und gegen das Betretungsverbot demonstrieren. Betreute Menschen werden Inhaftierte ihres eigenen Zuhauses, gleichzeitig aber marschieren Betreuer täglich ein und aus und fahren nach Schichtende nach Hause zu ihrer Familie, ihren Partnern. Deshalb brauchen wir endlich genug Schutzausrüstung, Vernünftige Hygienekonzepte und ausreichend Testkapazitäten für Pflegekräfte und Bewohner*innen.

Pflege aber kann es nicht ohne den wahren Schutz, dessen ganz bedeutender Bestandteil auch die seelische Unversehrtheit ist, geben. Wir müssen nun unbedingt solidarisch und bedingungslos zusammenstehen und Menschen, die ihre Stimme nicht selbst erheben dürfen oder können, eine starke Stimme verleihen, dürfen uns keinesfalls von einem Herrn Palmer oder Herrn Gauland irritieren lassen und nie wieder zulassen, dass Menschen als wertes oder unwertes Leben eingestuft werden.

Break isolation!